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Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Die Zahl der Menschen nimmt zu, die wegen eines Unfalls oder einer Krankheit im Augenblick oder dauerhaft nicht mehr über ihr eigenes Schicksal entscheiden können. Die Frage, wer zu Lebzeiten Entscheidungen für uns treffen soll, wenn wir selbst dazu nicht mehr in der Lage sind, wird damit immer wichtiger. An welchen Wünschen und Vorstellungen soll sich eine solche Person dann orientieren? Wie kann man sicherstellen, dass dann die eigenen Wünsche und Vorstellungen Beachtung finden – zum Beispiel hinsichtlich der Verwaltung des Vermögens und hinsichtlich der medizinischen Behandlung?

Mit diesem Merkblatt möchten wir Sie über die gesetzlichen Bestimmungen zu diesen Fragen und die Alternativen hierzu, die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung, informieren.

1. Kann eine volljährige Person auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so
wird nach der gesetzlichen Regelung dieser Person vom Betreuungsgericht ein Betreuer an
die Seite gestellt, der den Betreuten in dem vom Gericht bestimmten Aufgabenkreis vertritt. Das Betreuungsgericht kann diese Anordnung auch vom Amts wegen treffen; d.h. auch ohne oder gar gegen den Willen des Betreuten oder dessen Angehörigen.

Die Anordnung einer Betreuung ist aus mehreren Gründen häufig nicht gewünscht.
Die Person des Betreuers wird grundsätzlich vom Betreuungsgericht selbst ausgewählt. Das Betreuungsgericht kann auch eine familienfremde Person zum Betreuer bestimmen, die die Betreuung berufsmäßig betreibt, z.B. einen Rechtsanwalt. Der Betreuer unterliegt bei seiner Tätigkeit gerichtlichen Einwilligungsvorbehalten sowie Rechenschaftspflichten gegenüber dem Gericht. Das gilt auch dann, wenn ein Familienangehöriger oder eine langjährige Vertrauensperson Betreuer ist, bei dem eine
betreuungsgerichtliche Überwachung häufig gar nicht nötig oder zumindest nicht angebracht ist. Nachteile der Betreuung zeigen sich auch in Notfällen oder bei überraschenden, schwerwiegenden
Erkrankungen. Gerade in Notlagen ist es meist erforderlich, dass eine Vertrauensperson ohne Verzug tätig wird. Die Anordnung einer Betreuung ist aber auch in Notfällen nur mit einem gewissen zeitlichen Mindestvorlauf möglich. Nur Ehegatten haben zeitlich befristet für sechs Monate ein gesetzliches Vertretungsrecht, wenn der andere Ehegatte infolge Krankheit oder Unfall entscheidungsunfähig wird. Allerdings ist die Vertretung nur im Zusammenhang mit medizinischer Behandlung zulässig und erstreckt sich nicht auf alle Lebensbereiche. Auch diese gesetzliche Regelung für Notfälle ist daher in der Regel kein Ersatz für eine Vorsorgevollmacht.

2. Die Anordnung einer nicht erwünschten Betreuung kann dadurch vermieden
werden, dass einer selbst ausgewählten Vertrauensperson frühzeitig eine Vorsorgevollmacht erteilt
wird. Die Vertrauensperson wird häufig ein naher Familienangehöriger sein; dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Es kann sich auch um eine sonstige Person handeln, z.B. aus dem Freundeskreis. Entscheidend ist vor allem, dass die Vertrauensperson geeignet, willens und in der
Lage ist, für den Vollmachtgeber tätig zu werden. Sinnvoll ist es natürlich, wenn sich der Wohnsitz des Bevollmächtigten in nicht allzu weiter Entfernung vom Lebensmittelpunkt des Vollmachtgebers befindet. Der Bevollmächtigte ist grundsätzlich nur dem Vollmachtgeber, nicht aber dem Betreuungsgericht, Rechenschaft schuldig. Es empfiehlt sich natürlich, die Erteilung der Vollmacht
vorab mit dem Bevollmächtigten abzusprechen. Eine Vorsorgevollmacht sollte möglichst frühzeitig errichtet werden, weil in Notlagen dafür häufig keine Zeit bleibt. Solange der Vollmachtgeber seine
Angelegenheiten selbst besorgen kann, muss er dem Bevollmächtigten die Vollmachtsurkunde auch nicht aushändigen, sondern kann sie selbst aufbewahren, z.B. bei den eigenen Unterlagen oder in einem Bankschließfach. Der Bevollmächtigte muss lediglich wissen, wo sich die Vollmachtsurkunde oder der Schlüssel zum Bankschließfach befindet. Ihm wird dann die Anweisung erteilt, die Vollmachtsurkunde nur in Notfällen an sich zu nehmen und zu verwenden.

3. Eine Vorsorgevollmacht kann grundsätzlich privatschriftlich errichtet werden. Die Rechtsprechung misst jedoch der notariell beurkundeten Vollmacht einen „Vertrauensvorsprung“ für den Rechtsverkehr im Vergleich zu einer bloß privatschriftlich erstellten Urkunde zu. Dies deshalb, weil der
Text von einem Fachmann erstellt ist, der den Vollmachtgeber zum Inhalt und zur Gestaltung beraten hat. Die Notarurkunde enthält ausdrückliche Vermerke zur Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers und ist damit auch in dieser Hinsicht über Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit erhaben.
Eine beurkundete Vollmacht ist auch für Rechtsgeschäfte tauglich, für die das Gesetz eine besondere Form vorschreibt, z.B. für Grundstücksangelegenheiten. Und bei einer beurkundeten Vollmacht findet
eine Identifikation nach dem Geldwäschegesetz statt, so dass die Vollmacht auch bei Bankgeschäften, z.B. der Eröffnung eines Bankkontos, verwendet werden kann. Im Übrigen kann der Notar durch förmliche Registrierung der von ihm beurkundeten Vollmachten im Zentralen Vorsorgeregister
der Bundesnotarkammer sicherstellen, dass diese und der Bevollmächtigte im Fall der Fälle auch aufgefunden werden. Das Betreuungsgericht wird das Zentrale Vorsorgeregister einsehen, bevor es einen Betreuer bestellt. Ist eine Vollmacht registriert und besteht diese tatsächlich noch, wird das Gericht keinen Betreuer bestellen.

4. Eine verwendungstaugliche Vorsorgevollmacht wird regelmäßig aus zwei Teilen bestehen, nämlich zum einen aus einer – eingeschränkten oder uneingeschränkten – Generalvollmacht für rechtsgeschäftliches Handeln, zum anderen aus einer ergänzenden Vollmacht in persönlicher Hinsicht, insbesondere zur Erteilung oder Verweigerung der Einwilligung in medizinische Maßnahmen. Die Erteilung einer Vorsorgevollmacht ist, da der Bevollmächtigte Sie in fast allen Angelegenheiten vertreten kann, der größte Vertrauensbeweis, den Sie einem anderen Menschen geben können. Zwar macht sich der Bevollmächtigte schadensersatzpflichtig und vielleicht sogar strafbar,
wenn er zu Ihrem Schaden handelt. Allerdings kann der Schadensersatzanspruch nicht durchsetzbar sein und hilft Ihnen eine Bestrafung des Bevollmächtigten nicht weiter. Selbstverständlich ist es
möglich, dass besonders schwerwiegende Entscheidungen – z.B. Aufgabe des bisherigen Hausstandes, Veräußerung von Immobilien – nur durch zwei Bevollmächtigte gemeinsam getroffen werden dürfen, also z.B. nur durch zwei Kinder gemeinsam. Zumindest für die laufenden
Angelegenheiten wird es dagegen empfehlenswert sein, Einzelvollmacht zu erteilen. Die Bevollmächtigung auch zu persönlichen Entscheidungen soll sicherstellen, dass die Generalvollmacht gerade auch in den Situationen verwendet werden kann, in denen der Vollmachtgeber besonders
auf Hilfe angewiesen ist. Gerade in diesen persönlichen Entscheidungen zählt selbstverständlich Ihr Wille – so lange Sie ihn äußern können – immer mehr, als der des Bevollmächtigten.

5. Eine Vorsorgevollmacht enthält in der Regel zumindest eine kurze „Betriebsanleitung“
für die Vertrauensperson. Diese darf die Vollmacht nur verwenden, wenn der Vollmachtgeber im Einzelfall ausdrücklich grünes Licht gibt oder wenn der Vollmachtgeber nicht mehr ansprechbar ist oder sonst seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Man kann einem
Bevollmächtigten allerdings auch detaillierte Anweisungen erteilen, wie die eigenen Angelegenheiten zu erledigen sind. Um die Verwendung der Vollmacht z.B. gegenüber Kreditinstituten nicht zu erschweren, sollte jedoch ausdrücklich klargestellt werden, dass der Bevollmächtigte das
Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht nachweisen muss.
Im Verhältnis zum Vollmachtgeber ist es jedoch immer oberste Richtschnur, dass alle Maßnahmen – soweit irgend möglich – vorher untereinander abgesprochen werden; dabei hat der Vollmachtgeber
natürlich ein Vetorecht. Ist eine Absprache nicht mehr möglich, muss der Bevollmächtigte stets im Interesse des Vollmachtgebers handeln; der Bevollmächtigte muss sich also fragen, was der Vollmachtgeber denn in der konkreten Situation im vernünftigen Eigeninteresse selbst getan
hätte.

6. Gelegentlich bestehen Unsicherheiten darüber, ob man einer bestimmten Person eine weitreichende Vollmacht erteilen soll. Manchmal ist die im Regelfall unerwünschte gerichtliche Kontrolle und Überwachung im Rahmen eines Betreuungsverfahrens aus sachlichen Gründen zweckmäßig. In diesen Fällen kann sich anstelle einer Vorsorgevollmacht die Errichtung einer Betreuungsverfügung empfehlen, die sich darauf beschränkt, dem Betreuungsgericht einen
Vorschlag hinsichtlich der Person des Betreuers zu machen. Das Betreuungsgericht wird diesen Wunsch in aller Regel auch respektieren und die vorgeschlagene Person bei Bedarf zum Betreuer bestimmen, wenn diese zu einer Betreuung geeignet, willens und in der Lage ist. In die Verfügung können auch bestimmte Anweisungen und Wünsche an den Betreuer aufgenommen werden, z.B. zu Fragen der medizinischen Behandlung, zum Aufenthaltsort usw. Auch eine Betreuungsverfügung sollte im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert werden, damit sie bei Bedarf auch aufgefunden wird.

7. Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen können auch mit einer sog. Patientenverfügung
verbunden werden. Bei lebensbedrohlichen oder bei überraschenden Erkrankungen ist der Vollmachtgeber häufig nicht mehr in der Lage, mit seinem Arzt die von ihm gewünschte Behandlung abzusprechen. Ein Arzt ist jedenfalls grundsätzlich verpflichtet, alles Menschenmögliche zur
Lebensverlängerung zu unternehmen, auch wenn er nach seiner eigenen Prognose davon ausgeht, dass sein Patient trotz bestmöglicher medizinischer Behandlung keine Überlebenschance hat. Die längere Gabe bestimmter Schmerzmittel muss er in dieser Situation wegen etwaiger
starker Nebenwirkungen unter Umständen sogar verweigern. Das kann dazu führen, dass ein Patient jahrelang nur noch von Maschinen oder über künstliche Ernährung am Leben erhalten wird. Da aber letztlich nur der Patient – niemand sonst, auch nicht ein Bevollmächtigter! – über sein eigenes Schicksal bestimmen kann und soll, kann der Patient vorab anordnen, dass er bestimmte medizinische Behandlungen ablehnt, die nur auf eine Verlängerung seines erlöschenden Lebens ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Qualen und die nicht mehr vorhandenen Heilungschancen hinauslaufen. Ein Arzt hat diese Anordnung bei der von ihm zu treffenden schwierigen Entscheidung zu befolgen.Vorsorgevollmachten werden unabhängig vom Alter erteilt; auch jüngere Ehepaare erteilen sich diese Vollmacht zunehmend auf Gegenseitigkeit. Eine im Alter erteilte Vollmacht zugunsten der
selbst ausgewählten Vertrauensperson kann die Selbstbestimmung über die eigene Lebensweise sicherstellen und verhindert eine Einmischung durch fremde Dritte. Sprechen Sie daher gelegentlich mit ihren Angehörigen über dieses Thema! Natürlich kann ein kurzes Merkblatt nicht alle Fragen
im Zusammenhang mit dieser schwierigen Materie beantworten. Weitere Informationen finden Sie auch in der Broschüre des Bayerischen Justizministeriums „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter“, die im Buchhandel (4,90 €) oder im Internet (www.bestellen.bayern.de, Unterpunkt Justiz) erhältlich ist. Für ein persönliches und ausführliches Beratungsgespräch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.